Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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31. Sonntag im Jahreskreis (C), 30. Oktober 2016 „… zu suchen, was verloren ist.“

28/11/2016 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Ein abstoßendes Evangelium. Ein riskantes Evangelium. Es erzählt die Geschichte eines kleinen Mannes; eines neugierigen, reichen, unbeliebten, verachteten kleinen Mannes (und natürlich die Geschichte von Jesus). Es endet mit dem Satz „Denn der Menschensohn“ – Jesus – „ist gekommen, zu suchen, was verloren ist.“ Nur, wer räumt schon gerne ein, dass er verloren ist? Verloren sind immer nur die anderen. Verloren – wer würde sich so selbst beschreiben? Dieses Evangelium kann also gar nicht leicht funktionieren; es kann nicht für viele sein. Aber es könnte. Mit ein wenig mehr Realismus, mehr Ehrlichkeit mit sich selbst. Denn auf der schiefen Bahn ist jeder. Wir gehen verloren und verlieren uns. In Konflikten. In Sorgen. In Leidenschaften: in der Gier, in unserem Zorn, im Neid, im Geiz… alles treibt uns weg, irgendwohin, weg von dem, der wir sein könnten. Der Halt schwindet.

Wir verlieren uns in der Menge der unzähligen Menschen, in der Weite der Welt und des Raumes, in der Dauer unzähliger Jahre und Jahrtausende.

Wir verlieren uns in der Ratlosigkeit. Was soll ich tun mit meinem Leben? Wie soll ich entscheiden vor so vielen Wünschen, Möglichkeiten, Ratschlägen? Wo ist Orientierung? Wo kann ich mich anhalten? Ich gehe mir selbst verloren… Viele spüren das, sie ahnen das alles – und schaffen sich Schein-Identitäten, Schein-Plätze, Schein-Sicherheiten („mein Haus“, „meine Prinzipien“…).

Das ist Verstrickung; das ist Gleiten nach unten. Aber es gibt eine Chance. Denn manchmal kommt unsere Misere zusammen mit dem Handeln Gottes.

Zachäus hat Geld gerafft, auf die Meinung der Leute gepfiffen, unter der Meinung der Leute gelitten: der Mann war getrieben von Gier aller Art. Heute ist es die Neugierde. Und da trifft er auf Jesus. Was wenn Jesus ihn nicht angeschaut hätte, nichts zu ihm gesagt hätte? Manchmal kommen unsere Leidenschaften mit dem Handeln Gottes zusammen. Dann wieder führen sie uns weg von uns selbst und von Gott. Wir sind alle in Gefahr.

Zachäus und Jesus. Zwei so unterschiedliche Menschen. Aber sie begegnen sich – und ein Leben verändert sich. Der eine sucht, der andere lässt sich finden. Jesus sucht Zachäus (– aber sucht nicht auch Zachäus Jesus? Wer findet hier wen?). Zachäus strengt sich an: Er muss klettern. Immer höher. Hören, wie die Leute murmeln und höhnen. Er muss weg aus seinen gewohnten Bahnen. Und wie liebevoll und behutsam Jesus mit ihm ist! Auch er, Jesus, riskiert etwas. Das Entsetzen der Frommen. Die Blamage der Zurückweisung, denn was garantierte, dass Zachäus nicht den Mut verlieren würde? Jesus ist in diesem Moment so weit entfernt von den Katholiken, die auf die anderen warten: „Sollen die doch den ersten Schritt machen!“ Sie bleiben hocken und verteidigen einen müden Besitz: unsere Kirche! unser Glaube! Jesus hingegen geht; er sucht, er missioniert. Gott, der uns sucht.

Gott sucht Abraham den Lügner (s. Gen 20,1); Gott begegnet Mose dem Mörder, David dem Ehebrecher, Rahab der Hure; Jesus blickt Petrus an, den Verräter; Jesus ruft hinauf zu Zachäus, dem Zöllner, dem Kollaborateur, dem Korrupten. Entsetzen bei den Frommen, – Freude im Himmel. Freude auch in Zachäus, weil er, zum ersten Mal, vielleicht, Liebe erfährt.

Begegnung, das heißt doch: Einer tritt in mein Leben ein und verändert es. Sein Weg und mein Weg werden nie mehr ganz zu trennen sein. Jesus und Zachäus begegnen einander und Jesus nimmt dem Zöllner die Last eines verfehlten Lebens ab; schenkt ihm stattdessen das Glück der Umkehr und der Gemeinschaft. Zachäus, der die Gemeinschaft der Menschen zerstört hat, jahrelang, mit seiner Gier, er wird nun die Gemeinschaft heilen.

Ein riskantes Evangelium. Nutzlos für alle Selbstgemachten und Selbstsicheren. Trostreich für die Verlorenen. Die Ratlosen, die Gleitenden. Anspornend für die guten Willens: Sucht! Sucht die Verlorenen! Und wenn ihr selbst verloren seid, lasst euch finden.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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