Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Dritter Adventsonntag, 19. Dezember 2021

19/12/2021 


Die Predigt zum Anhören

Freude und Erkennen

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Die Mami bekommt ein Baby.“ – „Wo ist das Baby jetzt?“ – „In Mamis Bauch.“

Mehr Informationen gab es nicht; damals, als man noch sagte: „Sie ist in Umständen“ statt „sie ist schwanger“. Man sagte auch: „Sie ist unwohl“ und nicht: „Sie hat ihre Tage“. Mir gefiele es, wenn die Leute wieder mehr verschweigen würden. Nur andeuten. Vielleicht nur lächeln.

Dann war das Baby da. Man konnte es sich anschauen. Es lag herum. Ganz bestimmt konnte dieses Baby nicht hüpfen.

„Da hüpfte das Kind in ihrem Leib“. Als Bub fand ich dieses Evangelium fast das schönste von allen. Jedenfalls besser als die Gleichnisse mit Talenten oder Samenkörnern. Die wurden uns immer irgendwie vorgehalten. In mir geschah viel mehr, wenn ich hörte: „die Pforten der Hölle“ oder das mit der Schlange, „die Staub frisst“. – „Staub kann man doch nicht essen“, dachte ich dann. Aber es steht in der Bibel! Und dann eben: das Kind, das hüpft. In einer Frau innendrin hüpft ein Kind! Toll! Denn ein Baby kann nicht hüpfen und nicht springen. Ein Baby kann null. Also musste das Kind in Elisabeth schon so drei Jahre alt sein. Unfassbar! Es war mir auch ganz klar, dass dieses springende Kind sich freute. Kinder hüpfen doch, wenn sie sich freuen! Heute sagen die Frauen: „Oh, er tritt wieder!“ Damals erfuhr ein kleiner Bub nicht viel vom wahren Leben. Ein paar Andeutungen. Aber er verstand den Unterschied zwischen hier und dort, zwischen den Leuten und diesen zwei ganz besonderen Frauen. Und der kleine Bub war voller Staunen und Freude.

Maria und Elisabeth. Zwei Schwangere. Eine junge Mutter und eine alte Mutter. Beide Schwangerschaften sind ganz ungewöhnlich. Wunderbar. Beide Kinder werden den Gang der Weltgeschichte verändern, – viel mehr als nur „eine Stadt im Bergland von Judäa“ (wie schön auch das klang…!).

Die beiden Frauen erkennen. Sie sehen einander an und verstehen mit diesem einem Blick, was los ist. Sie sind überwältigt von dem, was ihnen da aufgeht. So geht es den Propheten. – Sie verstehen nicht, was ich meine? Dann denken Sie an den coup de foudre, die Liebe auf den ersten Blick. So ähnlich ist dieses Erkennen der zwei Prophetinnen. Elisabeth und Maria erkennen, was die Leute nicht sehen können. Elisabeth weiß um die Schwangerschaft Mariens, die doch noch keiner sehen kann. Und sie weiß, wer dieses Kind sein wird: der Erlöser! Der Erwartete. Maria, die künftige Gottesgebärerin versteht genau, was Elisabeth ruft und antwortet ihr. „Meine Seele preist die Größe des Herrn!“

Freude und Erkennen kommen nicht einfach so. Rein menschlich gesehen, abgesehen vom Wirken des Heiligen Geistes, braucht es zu Freude und Erkennen die Erwartung, die Mühe und das Staunen. „Sie ist in Erwartung.“ So sagte man früher auch, wenn eine Frau schwanger war. Beide Frauen sind in Erwartung. Und Sie? Warten Sie noch auf etwas?

„Maria machte sich auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.“ Eilen, hinauf, in die Höhen: Das ist die Anstrengung, die Mühe, die es braucht.

Und dann das gegenseitige Staunen.

Als die beiden Frauen sich begegnen, da geschieht etwas, verborgen im Getriebe des Alltags, verborgen im Leib der Mutter. Es geschehen Einsicht und Freude. – Das ist so anders als die Trübsinnigkeit, die sich wie Mehltau auf unsere Zeit gelegt hat, so anders als die Verblendung und die Ratlosigkeit.

Die Worte und Bilder dieses Evangeliums setzen so viel in Bewegung, – so viel, dass es vom kleinen Buben bis zum alten Mann reicht. Das Evangelium wirkt immer und immer wieder. Die Religion mit ihren Bildern und Geschichten und Worten kann Menschen verzaubern. Ist Ihnen das zu kindlich? Haben Sie das alles schon lange vergessen? Mir ist das Kindliche oder Wunderbare des Glaubens tausendmal lieber als die Schlauheit der Zocker. Es verändert diese Welt viel stärker. Die Veränderung der Welt nimmt ihren Anfang in Ihrer Seele.

Diese Welt ist nicht mehr milde. Freude macht mild. Vielleicht reicht zur Freude schon das Staunen. Das, was man ahnt. Das, was man keinem erklären kann und dennoch weiß. Das, was springt und hüpft und ganz lebendig ist und dennoch verborgen. Das, war nur zwei Menschen verstehen, die aufeinander zugegangen sind. Die zwei treffen sich auf der Schwelle. Kein Geplapper, kein Tratsch. Nur Jubel. Nach der Stille des Weges und der Stille des Wartens große Freude.

„Das Meer sah es und floh, der Jordan wich zurück. Die Berge hüpften wie Widder, die Hügel wie junge Lämmer.“ So im 114. Psalm. Und bei Lukas: „Freut euch und hüpft an jenem Tag…“ (Lk 6,23). Die Übersetzer schreiben: „Freut euch und jauchzt“, aber wörtlich heißt es: „hüpft“, „springt“ wie das Kind. Solche Freude ist gemeint.

Die Welt damals war auch getrieben. Von harter Arbeit, von Gewalt, von starren Regeln. Aber in dieser getriebenen Welt geschieht etwas Großes, Neues. In Stille. Etwas, das manchmal nur die Kinder verstehen und zwei schwangere Frauen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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