Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Requiem für Ursula Bauer

21/06/2024 


Die Predigt zum Anhören

Requiem für Ursula Bauer
Predigt in Distelhausen St.-Markus am 21. Juni 2024

In Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Verehrte, liebe Anne! Verehrte, liebe Carolin!

Woher sie das nur hatte, dieses Augenrollen? Ihre Schwester konnte es auch. Es wird also aus Buchen kommen, aus dem „Ochsenwirt“, wo der wuttobige Urgroßvater Eduard und die feine, noble Urgroßmutter Babette lebten. Wie ich höre, rollte Belli noch auf dem Krankenbett die Augen. Die siasselnde Seelsorgerin, die sie besuchen kam, hat ‘s hoffentlich nicht gesehen. Solche Frauen waren gar nicht Bellis Fall. Ein extrem fescher Arzt eher.

Bevor ich fortfahre, erlaubt mir eine Vorbemerkung. Erstens: Ich werde sie heute Belli nennen oder, in der Liturgie, Ursula. Ihr Tauf-Name. Hoffentlich irritiert das nicht. Ich weiß wohl, dass sie auch Ulla hieß, ganz früher sogar Ursele, „Tante Ulla“ in unserer Kinderzeit, „Ursel“, wenn unsere Mutter von ihr sprach. Als der Wasserburger auftauchte, wurde sie „die Belli“.

Zweitens: Liebe Anne, liebe Carolin, liebe Uli, auch liebe Susanne und Maria und verehrte, liebe Sabine, lieber Carsten und lieber Michael! Euch allen tiefen Dank für das, was Ihr für Belli getan habt. Dieser Zusammenhalt, dieses Einstehen für kranke Verwandte ist selten geworden und doch so notwendig in einer zerfallenden Zeit. Ich bin sicher, Belli hat gespürt, wie gut umgeben sie war.

Ich staune immer wieder, was das Sterben und der Tod an Gutem bewirken. Menschen entdecken neue Fähigkeiten, sie halten zusammen, obwohl sie das nicht müssten, finden zu einander.

Was soll diese Predigt? Eine fromme Abhandlung soll sie nicht sein. Das würde kaum zu Ihnen hier passen. Ich will Ihnen Belli möglichst lebendig vor Augen stellen. Warum? Damit Sie sich ganz lange an Sie erinnern.

Erinnerung ist immer bedroht vom Vergessen. In 100 Jahren werden wir alle vergessen sein. Aber man muss dagegenhalten! Ohne Erinnerung weißt Du nicht, wer du bist; ohne Erinnerungen zerfällt ein Land. Unsere Vorfahren stecken in uns, ihre Gene, Anlagen, Erlebnisse, ihre Fehler, ihre Stärken: Alles hinterlässt Spuren in uns und wieder in denen, die nach uns kommen. Deswegen ist es schade und dumm, wenn allzu schnell nur noch ein Name und zwei Daten übrig sind. Erinnerungen, das sind Bilder, Anekdoten, Worte, Großtaten und Fehler. Das Leben halt… Also: Erzählt einander von Belli!

Hier, in dieser Kirche hat sie geheiratet. Ich weiß es noch! Und wie gerne würde ich jetzt fortfahren mit diesem „Weißt du noch?“, mich retten in die Erinnerungen, um mich nicht der Erkenntnis stellen zu müssen: Belli ist nicht mehr da. Die Frau, die da in Würzburg gestorben ist, das war wirklich die Belli. Ich mag das nicht denken und muss es doch.

Was haben wir gelacht mit ihr! Wie gut haben wir gegessen bei ihr! Sie war eine fabelhafte Köchin und Gastgeberin. Das braucht mehr als Organisationstalent (was Sie auch hatte). Das braucht Großzügigkeit und Herzlichkeit. Beides hatte sie. Sie war keine Frau des miefigen Klein-klein. Sie war generös in ihren Gesten, mit ihrer Zeit, mit Einsatz und Echtheit. Ich vergesse nicht, wie sie sich für die Kranken der Familie eingesetzt hat. – Das konnte sie natürlich auch, weil sie selbst ein gutes Leben hatte. Sie war nie schwer krank; sie musste nie Geld verdienen. Belli war die letzte eine Generation, in der die Frauen sich nicht über ihre Arbeit definierten. Noch eine Generation davor durften viele Frauen gar nicht arbeiten; wenn sie arbeiten mussten, galt das als Unglück. Man muss diese Dinge wissen, um Belli gerecht zu werden.

Sie war großzügig, habe ich eben gesagt. Großartig. Sogar in ihren Abneigungen. Auch die hatten nichts Kleinliches, waren absolut und laut. Wenn sie einen mochte, hatte der’s sehr gut. Wenn sie einen nicht mochte …

Ihr Urteil war immer: begeistert, im Guten wie im Schlechten. Vorsichtige Nuancen waren nicht ihr Ding. Immer die große Nummer. Das nahm man ihr auch ab, weil sie bis weit ins Alter hinein eine schöne Frau war, prachtvoll.

Sie war mit einem pyramidalen Selbstbewusstsein ausgestattet. Ich glaube, sie hat sich nie recht vorstellen können, wie schwer es die Schüchternen und weniger Glanzvollen im Leben haben. Wenn ich mir die Bilder ihrer Vorfahren ansehe, ihres Großvaters, der die Distelhäuser Brauerei gründete, ihres Vaters und seiner vier Schwestern mit ihren geraden, feinen Nasen, rotblonden Haaren und sehr klaren, leicht kühlen Augen, dann ahne ich, woher dieser Stolz kam.

Belli konnte andere bewundern, das war eine ihrer schönsten Seiten. Sie bewunderte ihre ältere Schwester, noch mehr ihren Bruder Ernst, dann dessen Sohn Stefan. Sie bewunderte den Wasserburger. Über ihren angetrauten Ehemann kann ich hier nichts sagen als dies: Ihm auch verdanken wir Euch beide, liebe Anne, liebe Carolin. Ist so. Die ganz romanhafte, lange Geschichte mit dem bayerischen Bierbrauer-Künstler Alexander Hatzl war das große Glück ihres Lebens. So etwas hat längst nicht jeder. Er und Belli, das waren Wanderungen und Gasthöfe, Freundschaften, große Reisen, große Feste, große Töne. Er zeigte ihr eine neue Welt weit über Distelhausen und Reichenberg hinaus. Bei ihm fand sie das Fabelhafte, Spektakuläre, das Herrliche, das sie so liebte. Dafür hat sie viele Opfer gebracht, denn leicht war er nicht, der Wasserburger. Mit tiefer Bewegung habe ich gespürt, wie sehr er ihr gefehlt hat bis zum Schluss.

Eines noch, weil wir doch hier in einer Kirche sind: Belli war katholisch. Sie war mal ausgetreten aus der Kirche, dann wieder eingetreten und bis vor ein, zwei Jahren jeden Sonntag in der Hl. Messe. Mir ist natürlich nicht entgangen, dass sie nicht hier zur Messe ging, sondern in Würzburg, beim Domkapitular, von dem sie ein paar Spitzen gegen den Bischof erwartete. Ein wenig Krawall. Das liebte sie.

Sie nahm die Kirchenkritik des „Spiegel“ begeistert auf und ebenso begeistert verteidigte sie den guten alten katholischen Glauben mit seinen Liedern und Bräuchen gegen alle „Feinde“. Ich wünschte mir, wenn ich das sagen darf, sie wäre mit der Zeit innerlicher geworden, ruhiger, mit mehr Vertrauen. Mit einem Glauben nicht so glanzvoll wie Markus Lanz, sondern so einfach wie das Vaterunser. Das hätte ihr geholfen im Alter.

Aber was weiß ich schon?

Und nun, was wird nun aus ihr?

Woher soll ich das wissen? Über das, was nach dem Tod kommt, wissen wir alle nichts. Wir Christen hoffen nur. Ich glaube, – Credo! – Sie lebt. In der Heimat, in der wahren Heimat. Dieser Gedanke des hl. Paulus hätte ihr gefallen, vielleicht gerade weil sie ihre Heimat so sehr liebte: Distelhausen und die Brauerei.

So also erinnern wir uns an sie, an das Ursele von einst, an Ulla, Ursel, Belli Bellitant‘, Moma. Ich für meinen Teil gebe zur Erinnerung auch die Hoffnung und wünschte, Sie hier könnten das auch. Ich wünschte, Sie gingen später nach Hause, nicht bloß ein wenig traurig, ein wenig satt, ein wenig getröstet, sondern voller Hoffnung.

Ich hoffe, Belli besteht das Gericht. An der Güte Gottes habe ich keinen Zweifel. An uns Menschen zweifle ich immer. Hoffentlich widerspricht Belli ihrem Herrgott nicht noch ein letztes Mal, augenrollend. Sondern sagt Ihm, ganz still und einfach: „Danke, lieber Gott, Danke für ein fabelhaftes Leben!“

Epilog

Gibt sie uns etwas mit, außer vielen, vielen Erinnerungen? Einen Auftrag, will ich meinen. Einen Auftrag, der sich noch mehr an die Frauen hier als an die Männer richtet. Wie lautet der Auftrag der Belli? Seid fabelhaft! Seid fabelhaft, Ihr Frauen!

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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