Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Immaculata – 8. Dezember 2021

08/12/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Das kann es doch nicht sein. Es geht so nicht. So war der Mensch nicht gedacht, oder? – Sie kennen diese Gedanken. Keiner denkt sie oft, aber sie sind da und manchmal steigen sie an die Oberfläche. Ich bin sicher, es waren solche Momente, die nachdenkliche Menschen dazu brachten, den Namen „Erbsünde“ zu sagen. Und die Geschichte von Adam und Eva passte dazu. Die Geschichte von Menschen, die sich auflehnen gegen sich selbst, gegen das Leben, gegen Gott und so alles verderben. Die ganze Schöpfung. So sehr verderben, dass ein reiner Mensch schier nicht zu denken ist.

Ich sehe ein kleines Kind und weiß, schon bald wird dieses Kind lügen wie seine Eltern, streiten wie seine Eltern, nicht verzeihen wie die anderen auch nicht verzeihen. Die Eltern, Geschwister, Großeltern, Nachbarn wecken in diesem Kind etwas auf, was längst da ist. Wie das Alien im Körper des Schlafenden. Wir aktivieren in den Kindern die Anlage zum Bösen. Und so wird das Kind wie seine Eltern. Die selbst einmal geworden sind wie ihre Eltern, und so geht die Reihe fort durch die Jahrtausende. Es gibt keinen durch und durch guten Menschen.

Wer das bedenkt, wer das erlebt und erleidet, der ist wie ein Mann, der sein Leben lang auf eine längst verlassene Fabrik schauen muss, auf einen vergifteten Fluss und unfruchtbare Äcker und hinauf in einen ewig grauen Himmel. Sie wissen, was dieser Mann braucht, lebensnotwendig: einen Lichtblick! Irgendeine Hoffnung, vielleicht ein kleines Kind, vielleicht eine junge, lebendige, reine Frau.

Warum sind wir dem Tod so bald näher als dem Leben? Warum müssen Menschen so viel leiden? Warum raubt uns diese seltsame Gier in uns den inneren Frieden? Warum sind wir nicht frei? Weil Gott uns so erschaffen hat? Weil er uns genauso gewollt hat? Sterbend, leidend, begehrend, friedlos, unfrei? Der Gedanke, dass Gott uns so gewollt haben könnte, ist absurd. Das wäre kein Gott. Denn Gott ist das Gute selbst. Nein, wir sind so geworden durch die allererste Sünde, durch den Bruch mit Gott und mit unserer eigenen Natur, durch jenen Bruch, der sich immer und immer wiederholt. Nicht Gott verwundet uns, sondern wir verwunden andere und andere verwunden uns: Verwundungen, die durch den Leib hindurch gehen bis in die Seele hinein.

Unser Geist könnte so klug sein, aber wir sind unwissend, wir tun uns schwer, die Wahrheit zu erkennen. – Wir hätten die Fähigkeit, gerecht zu sein, aber unser guter Wille ist schwach, wir tun das Böse. – Wir könnten so stark sein, aber schrecken zurück, sobald das Gute schwierig wird. – Wir könnten im rechten Maß stehen, im Frieden mit uns selbst, aber das Verlangen rebelliert gegen die Vernunft. Aber das kann doch nicht das wahre Leben sein!

Allein, dass wir das ahnen, beweist, dass noch viel Gutes in uns ist. Die Erbsünde konnte uns nicht zerstören. Schwächen, aber nicht zerstören. Wir können Wahres erkennen; wir haben die Fähigkeit behalten, Gutes zu tun. Auch ohne an Gott zu glauben, einfach weil wir Menschen sind.

So sieht es also aus mit uns Menschen. Sehen Sie es, wie es ist. Nehmen Sie es wahr. Dann werden Sie auch verstehen, was fehlt. Manches kapiert man erst, wenn es fehlt. Was Kälte ist, weiß man erst, wenn die Heizung ausfällt. Was Seelenfrieden ist, ahnt erst der, der durch die Verzweiflung ging.

„Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria.“ Bedeutet: Schon im Schoß ihrer Mutter war Maria ohne Erbsünde.

Weil sie ein Mensch war wie wir, trug Maria die Konsequenzen der Erbsünde. Sie erlebte wie alle Menschen Leiden und Tod, die Mühen der Verständigung, der Arbeit, des Lernens. Sie musste die Taten der Bösen aushalten. Nur das, worin eigene Schuld eine Rolle spielt, das kannte sie nicht. Sie litt, aber sie war rein. Wir leiden, aber wie oft aus eigener Schuld!

Maria war wie wir, aber auch über alle anderen Menschen erhoben. Für ihren Sohn nämlich. Deswegen trat sie „im Zustand der heiligmachenden Gnade“ ins Leben. Es schadet nicht, wenn Sie diesen Ausdruck einmal gehört haben. Die heiligmachende Gnade. Die begründet eine Teilhabe an der göttlichen Natur. Maria hatte Teil an der göttlichen Natur; sie lebte genau das, was uns durch die Erbsünde genommen ist. Unser Leib und unser Geist enthalten noch Spuren, Ahnungen von Gott. Aber erst die Gnade macht uns auf eine höhere, besondere, übernatürliche Weise Gott ähnlich. Die Gnade heiligt die Seele. – Unsere Seele hat gute Anlagen; Marias Seele war heilig. Maria ist der geheilte, neue Mensch. Frei von Sünde und immer mit Gott verbunden. Maria war schön. Die Gnade verleiht der Seele „übernatürliche Schönheit“. Und so lebte Maria eine Freundschaft mit Gott; sie war ein Kind Gottes, ein Tempel des Hl. Geistes. Die Gnade gießt dem Menschen Glauben ein, Liebe, Hoffnung. Auch Tatkraft, Erkenntnis, Mäßigung, Geduld, Frömmigkeit. Wir müssen mit der Unordnung in uns kämpfen, Maria liebt einfach. Gott und die Menschen.

Maria, die Unbefleckt Empfangene, geheimnisvolle Rose, starker Turm Davids… für jeden, der sich Zeit nimmt und hinschaut ein wunderschönes Bild. Ein schönes Bild, vor dem man steht und irgendwann fragt: Aber was hat das mit mir zu tun? Mit meinem wirren, grauen Leben? So fragt einer, und da kommt die leise Antwort: Maria, das bist auch Du. Und dann fragst du vielleicht: Was hast du vor mit mir, Gott? Und Gott sagt dem Menschen: Ich kenne dich, ich verurteile dich nicht. Aber ich werde dir vieles wegnehmen. Das nämlich, was auf dir liegt wie eine Last, das, was dich entstellt. Und dann merkst du, dass du alles behalten willst, deine gebrochene, schwache Natur und auch deine Sünden. Weil du meinst, das seist du. Aber Gott wird sie dir dennoch nehmen. Wenn er in dir nur die leiseste Spur der Hoffnung entdeckt. Es wird weh tun, aber dann wird es hell.

Maria ist die erste Spur der Hoffnung in dieser Welt. Wer nur sieht, was fehlt, wer nur Hässliches sieht, der wird verrückt. Aber dieses Fest zeigt uns einen blühenden Garten. Hoffnung. Und es beginnt mit einer Frau.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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