Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest des hl. Ambrosius, 7. Dezember 2020 – Die Überraschung

07/12/2020 


Die Predigt zum Anhören

Fest des hl. Ambrosius, 7. Dezember 2020 – Die Überraschung

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Das Baby liegt am offenen Fenster; es ist Frühling, draußen wird es warm, die Bäume blühen. Da kommt ein Schwarm Bienen, sie summen laut und wild. Einen Moment lang bleibt der Schwarm über dem Kind stehen, und dann lassen sich die Tiere auf dem Kind nieder. Sie bedecken sein ganzes Gesicht. Doch sie tun ihm nichts. Die Tiere nähren das kleine Kind mit ihrem Honig. Es geschieht also, was keiner erwarten konnte. Die Überraschung. Das Baby hieß Ambrosius.

Am 7. Dezember des Jahres 374 betritt der hohe kaiserlich-römische Beamte Ambrosius die große Halle, in der die Christen Mailands tagen. Sie müssen einen neuen Bischof wählen. Sie sind tief zerstritten. Theologische Fragen haben zu einer solchen Feindschaft geführt, dass die Behörden einen Aufstand fürchten. Ambrosius, der Ungetaufte, den alle schätzen wegen seiner Klugheit, Milde und Gerechtigkeit, hält eine Rede. Brillant und versöhnlich. Als er geendet hat, schweigen alle betroffen. Da ruft in die Stille hinein eine Kinderstimme: „Ambrosius episcopus!“ – „Ambrosius soll Bischof werden!“ Und so geschieht es. Er muss erst noch getauft werden und zum Priester geweiht werden, aber acht Tage nach seiner Rede wird er zum Bischof von Mailand geweiht. Noch eine Überraschung.

Das Fest des großen Kirchenlehrers Ambrosius fällt immer in den Advent. In die Zeit, wo die Kirche singt: „Alma Redemptoris Mater… Erhab‘ne Mutter des Erlösers … tu quae genuisti, natura mirante, tuum sanctum Genitorem – du hast geboren, der Natur zum Staunen, deinen heiligen Schöpfer.“ Der Natur zum Staunen: Das Geschöpf gebiert den Schöpfer.

Die Bienen: Überraschung der Legende. Die Wahl: Überraschung der Geschichte. Maria: die Überraschung Gottes. Gott überrascht uns, und wir bleiben staunend. – Ist Ihnen schon aufgefallen, wie oft es im Evangelium heißt: „Da kam Staunen über sie.“ Oder: „Sie fürchteten sich sehr.“ Hat Gott Sie schon überrascht? Haben Sie gestaunt über Gott?

Das Fest des hl. Ambrosius markiert den Weg von einer absolut berechenbaren Kirche zu einer staunenden Kirche. Die Reihenfolge Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Beerdigung ist berechenbar. Millionenfach erprobt. Zwischen diesen Wegsteinen nichts als Kirchenbeitrag, Langeweile, Peinlichkeit. Soll das unsere Zukunft sein? – Es geht nicht um die Suche nach dem Besonderen, nicht um einen extravaganten Glauben. Das hat die heilige Kirche nie gefördert. Im Staunen, in der Überraschung geht es einfach um die Weite des Horizonts. – Mir ist eine staunende Kirche lieber als eine planende; ich fürchte überraschte Menschen weniger als schreiende auf der Straße.

Ambrosius brachte die Welt zum Staunen. Nicht als Trapezkünstler in bunten Hosen (solche Kirchenleute gibt es auch, braucht es aber nicht), sondern als Mann Gottes. Die Welt, die da staunte, das war die Welt der Spätantike, der römischen Kaiser, des perfekt organisierten Reiches mit seinem Oben und Unten, mit seinem staunenswerten Recht, – das Ambrosius studiert hatte. Diese Welt geriet ins Staunen, weil da einer Bischof wurde, auf den keiner gekommen wäre. Weil Ambrosius Bischof war auf ganz neue Weise und die Welt neu definierte: Der Bischof von Mailand verweigert dem Kaiser von Rom den Zutritt zur Kirche. „Zuerst tu Buße für das Massaker, das du befohlen hast!“ Der Bischof von Mailand bewirkt das Verbot aller heidnischen Kulte: Die bunte Vielfalt der alten Welt geht zu Ende. Sollen wir das beklagen? Der Bischof drängt den Kaiser, den Titel „Pontifex maximus“ abzulegen und damit alle priesterlichen Funktionen, die die Kaiser hatten. Die Trennung von Kirche und Staat und die Überordnung der Kirche über den Staat kündigen sich an, als der Bischof von Mailand erklärt: „Der Kaiser ist in der Kirche, nicht über der Kirche.“ Ambrosius lässt Macht und Politik nicht zurück, sondern nimmt sie mit in seine Kathedrale. Vielleicht war das leichter, unverfänglicher als heute, weil Ambrosius ein Heiliger war. Und der Bruder von Heiligen: Die hl. Marcellina war seine Schwester, der hl. Satyrus sein älterer Bruder. Und weil Ambrosius selbst Heilige machte: Die Bekehrung des hl. Augustinus geht, menschlich gesehen, auf Ambrosius zurück. Sein Charakter, seine Predigten und Bibelauslegung beeindruckten Augustinus von Hippo so sehr, dass er sich taufen lässt.

Hier verbindet sich Heiligkeit mit Brillanz, Kultur und Glaube. – Würden Sie die Bischöfe unserer Zeit so beschreiben? Heiligkeit, Brillanz, Bildung und Glaube formen einen Mann, der die Dinge ganz neu sehen kann und sich berufen und fähig weiß, diese neue Sicht auch durchzusetzen. Denn der gute Hirt ist der, der führt.

So etwas kann nicht nur aus Charakter und Bildung kommen. Die Lesung des Festes lässt uns die tiefere Quelle entdecken: „Ich soll als Evangelium den unergründlichen Reichtum Christi verkündigen und enthüllen, wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist, das von Ewigkeit her in Gott verborgen war.“ Paulus und nach ihm Ambrosius wissen, dass da das Geheimnis ist und das Verborgene. Das Größere also. Und ihr eigenes Defizit („mir, dem Geringsten unter allen Heiligen…“). Die Überraschung, das Staunen, das Neue können nur da entstehen, wo zwei zusammentreffen: das Bewusstsein des eigenen Ungenügens und die Größe des Gedankens und des Auftrags. Was bei Ihnen allen der Fall ist. Sie sind vielleicht keine exzellenten Juristen, keine großen Rednerinnen, keine Theologinnen oder versierte Politiker, aber Sie alle sind dem unergründlichen Reichtum Christi begegnet. Nein? Dann wird es Zeit. Denn Sie können es.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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