Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Erster Adventsonntag, 29. November 2020

29/11/2020 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Dieses Land verwelkt.“ Würden Sie das sagen? Würden Sie sagen: Diese Kirche, die regelt und streamt, diese Kirche welkt? –– „Wie Laub sind wir alle verwelkt.“ Wort des Propheten. Wir brauchen derzeit alle Kraft zum Durchhalten und Organisieren. Aber wo wird gestaltet? Wo wird erschaffen? Wer würde morgen eine Kathedrale bauen? Wer würde heute sein Herz wegwerfen, damit Gott ein neues Herz in ihn legen kann? „Wie Laub sind wir alle verwelkt.“

Not lehrt beten, sagt man. „Wenn die Zeiten schlecht sind, gehen die Leute wieder in die Kirche“, sagt mir wer mit Hoffnung in den Augen. Bizarre Hoffnung. – Es stimmt einfach nicht. Vielleicht früher, im Krieg, nach dem Krieg. Jetzt stimmt es nicht. Die Kirchen werden nicht voller durch Corona (geht ja auch schlecht, wenn nur neun da sein dürfen). Die Leute beten jetzt nicht mehr als vor der Krise, oder mir entgeht etwas komplett. Eine Pfarre, ein Orden findet immer welche, die organisieren. Aber beten, das scheint die Zumutung der Zumutungen. Das Gebet ist keine Sehnsucht. Keine hohe Pflicht. Was ist da los? Ich weiß es nicht. Die Leute halten fest an ihren Sorgen, ihren Gewohnheiten, Erinnerungen, an längst gefassten Urteilen: Dazu ist noch Kraft da. Vergeudete Kraft.

Ich lese bei Isaias: „Niemand ruft deinen Namen an, keiner rafft sich dazu auf, festzuhalten an dir.“

Die Gesellschaft welkt. Woran ich das sehe? An der Sprache. In den letzten vier Jahren wurde die Sprache zerstört. Jetzt ist alles sagbar. Ein und dieselbe Person kann alles sagen, das eine und in der nächsten Minute das Gegenteil. Alles lässt sich jederzeit umkehren, bestreiten; alles gilt nur noch einen Moment. Jedes Wort kann jederzeit seine Bedeutung verlieren, wenn es einem Typen und seinen Leuten gefällt.

Oder aber Sprache wird überhaupt verhindert: Du darfst dich dazu nicht äußern, denn was du auch sagst, ist Unrecht, weil du zu den Falschen gehörst, von vornherein. Weil du weiß bist. So wird Verständigung unmöglich.

Wie können Katholiken, die große, ewige Werte verteidigen wollen, Menschen folgen, die jeden Wert außer sich selbst zerstören, mit nichts als der Sprache? Wie können Christen, die doch dem nachfolgen sollen, der sich hingegeben hat, einen begrüßen, der nur nimmt; der niemals leidet um anderer willen. „Wie Laub sind wir alle verwelkt, unsere Schuld trägt uns fort wie der Wind.“

Hier aber, heute: frisches Grün. Hoffnung. Ein grüner Kranz im Licht. Am Altar ist nichts welk, in der Messe ist keine Geste überholt, kein Wort abgenutzt, keines beliebig. Alles hier hat das Zeug dazu, Kraft zu sein. – Wenn Sie also fragen: Gibt es in dieser Welt, in der alles aus den Fugen gerät, gibt es da Hoffnung, dann antworte ich: Ja. Es gibt Hoffnung, eine. Den Herrn. Den, dessen Worte nicht vergehen.

Hoffen bedeutet warten. Worauf warten Sie? Auf die noch größere Katastrophe? Auf das Ende der Seuche? Warten Sie auf das Glück? Warten Sie auf den Tod? Warten Sie auf die Erlösung? Kriegen Sie klar, worauf Sie warten. Treffen Sie eine Entscheidung und warten auf das Richtige. Hoffen und Warten sind Entscheidungssachen. Wie Glauben und Lieben. Das alles sind Kraft-Akte. Die kann nicht bringen, der welk ist. Also müssen Sie auch klar bekommen: Woher nehme ich meine Kraft? Von meinem Partner? Von den Kindern? Aus der Schönheit? Manchen ziehen Kraft aus ihrem Geld oder aus ihrem Hass…

Entscheidungen also. Man kann irgendwas tun, sich treiben lassen – oder aber sich entscheiden. Da geht es um die Wachsamkeit des Evangeliums. „Wacht also!“, sagt der Herr den Aposteln. Die am Ölberg nicht wachen werden, sondern einschlafen. „Ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, beim Hahnenschrein oder erst am Morgen.“ Petrus wird ihn dreimal verraten haben, noch bevor der Hahn kräht. Glauben Sie, Jesus wüsste das nicht längst? Und dennoch: „Wacht!“ Der Herr tritt nicht zurück.

Das Üble ist nicht, mal ein paar Tage zu Hause bleiben zu müssen; das Üble ist, nicht zu wissen, wann es weitergehen wird. Entschleunigen ist leicht. Mal Fünfe gerade sein lassen. Aber beim Warten, da wird die Seele angespannt. Nach einer Weile sogar überdreht und wund. Warten ist also eine Kraft-Sache.

Viele stellen sich den Glauben als große Kraftanstrengung vor. Betonung auf Anstrengung. Doch das ist er nicht. Er ist eine Kraftgabe. Die Kraft wird ihnen geschenkt. Das Evangelium wie die Eucharistie: Beide schenken Kraft. Seelen-Kraft.

Konkret bedeutet das: Jederzeit bereit sein, Gott im eigenen Leben aufzunehmen. Isaias schreibt auf: „Du kamst denen entgegen, die auf deinen Wegen an dich denken.“ Wie könnte ein Mensch welken, dem Gott entgegenkommt?

Also widerstehen Sie dem Augenschein. Widerstehen Sie dem Lärm der Stimmen. Warten Sie „auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus“. Das tun Christen. Das bedeutet: Glauben an das, was in uns ist. Der Ewige ist in uns. Und der Ewige ist selig.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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