Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest des hl. Martin von Tours, 11. November 2013

12/12/2013 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Hl. Geistes

„Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen… Schmuck bringe anstelle von Schmutz“ (Is 6).

Martin bringt ein Stück von einem Militärmantel… in einer eisigen Winternacht. Warf er es dem Bettler zu, vom Pferd herab? Oder stieg der Reiter ab, um es dem Bettler umzulegen? Wir wissen es nicht. Die Geste des jungen Soldaten ist ähnlich unvollkommen wie unser Wissen. Martin teilt, aber er gibt nicht alles. Er bleibt nicht, sondern reitet weiter. Er hat geteilt, was ihm nicht gehört: Der Mantel gehört der Armee. Der Soldat war also ungehorsam; er tat ein Unrecht, als er den Mantel teilte und die eine Hälfte verschenkte. Ein Unrecht um eines höheren Rechtes willen. Die berühmteste Geste aus dem Leben des hl. Martin von Tours ist nur ein Anfang, ein Vorzeichen.

Was der vielleicht gerade 17-jährige römische Soldat da tut, überstrahlt bis heute alles andere. Die öffentliche Meinung erinnert sich nur an die Teilung des Mantels. „Teilen ist wichtig“, lautet die Lektion, die die Kinder im Kindergarten lernen sollen. Wenn sie groß geworden sind, werden sie gelegentlich eine Überweisung ausstellen. Das bleibt vom Beispiel des hl. Martin. Dass Martins Leben Europa von Ungarn über Italien bis nach Frankreich umfasst; dass er lange zögerte, sich taufen zu lassen; dass er Schüler des großen Theologen und Heiligen Hilarius von Poitiers war, das erste Kloster des Abendlandes gründete; dass er Asket, Einsiedler und Mönch war; Bischof von Tours wurde, weil ihn das Volk dazu ausrief; dass er ständig unterwegs war, ein Stratege der Missionierung, aktiv in der großen Politik und den Streitfragen seiner Zeit, unfassbar populär in einer Zeit ohne Massenmedien, Schutzheiliger der fränkischen Könige, Nationalheiliger Frankreichs: Das alles ist für die meisten ohne Bedeutung. Es bleibt nur eine einzige Geste, die doch allenfalls das erste Aufleuchten der Heiligkeit sein kann. Ahnen die Menschen bei den Laternenumzügen die Tiefe der Begebenheit am Stadttor von Amiens – oder begnügen sie sich mit der Idee, Teilen sei wohl auch irgendwie recht und gut?

Wir hier müssen uns mehr zumuten. Die Kirche hilft uns dabei, indem sie an Martins Fest eben nicht seine Legende erzählt, sondern die Hl. Schrift über sein Leben legt; Worte des Propheten Isaias: „Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen… Schmuck bringe anstelle von Schmutz“ (Is 6).

Schmuck… ein Stück von einem Militärmantel? Martin hat diesem Armen „Schmuck“ gebracht? Ja. Denn die Geste des Teilens ist nicht das Erste und nicht das Entscheidende. Das Erste ist doch die Zuwendung. Dass sich der junge – und vermutlich stolze – Soldat dem Bettler überhaupt zuwendet; dass er die Begegnung zweier sonst absolut getrennter Welten zulässt; den Mann im Tor anerkennt als einen mit Sein, Würde und Recht, sei es nur das Recht auf Hilfe. In einem Alter, wo Jugendliche sonst nur sich selbst sehen, sich für große Ideen begeistern, aber kaum für den konkreten Menschen, da nimmt Martin diesen einen Menschen wahr. Das Teilen des Mantels ist gut. Heilig ist es, weil es aus der Achtung kommt und auf Größeres hingeht.

 

„Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen Schmuck bringe anstelle von Schmutz“ (Is 6). Das also ist die erste Art, den anderen zu schmücken: ihm Achtung zu erweisen. Aus der dann die praktische Hilfe entsteht. Hilfe ohne Achtung schmückt den anderen nicht. Unsere Hilfe soll so sein, dass sie den Armen schmückt.

Hier nun wird das Leben, das der Begebenheit in Amiens folgte, entscheidend. Auch für uns. Heilig wurde Martin nicht, weil er einmal seinen Mantel geteilt hat. Sondern weil er Gott suchte, mit allen Mitteln seiner Kultur und Existenz; weil er ihn fand in der Stille, im Gebet, im Streit, in den Armen.

Das schmückt den gegenüber doch am meisten: die Gegenwart Gottes. Nicht das Teilen ist die Aufgabe, an die wir am Fest des hl. Martin erinnert werden. Teilen kann jeder. Ein Christ schmückt und ehrt seinen Nächsten. „Damit ich alle Traurigen tröste, ihnen Schmuck bringe anstelle von Schmutz, Freudenöl statt Trauergewand, Jubel statt der Verzweiflung.“ All das kann der bringen, der getauft ist und zur Kirche gehört. Denn seine Seele ist geschmückt und voll Freude. Diesen Glanz können wir weitergeben.

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