Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest der hl. Johanna Franziska von Chantal, 12. August 2013

02/10/2013 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Über unserer Kirche liegt der Verdacht. Nicht sporadisch, nicht hie und da, sondern ein grundsätzlicher Verdacht. Die Kirche ist zuerst die Verdächtige.  Sie verdächtigen die Kirche etwa, da gäbe es keinen Platz für die Frau.Schon gar nicht für die Frau von heute, die selbstständig, eigenverantwortlich, erfolgreich arbeiten will. Sie verdächtigen die Kirche: Nur für fade, ängstliche, langweilige, vorgestrige Menschen tauge der Glaube. Smart und gläubig, das schließe sich aus. Ein Blick, ein einziger, schon flüchtiger Blick auf die heiligen Frauen der Kirche genügt, und es wird klar: so nicht! Das stimmt nicht.

Heute feiern wir Johanna Franziska von Chantal. Mit zwanzig heiratet Jeanne Francoise Frémyot den Baron Christoph von Chantal. Mit 28 ist sie Witwe: Mitten aus einer glücklichen Ehe heraus verliert sie ihren Mann durch einen Unfall. Da steht sie mit vier kleinen Kindern, ohne Beistand, bedrängt von Verwandten, verantwortlich für einen großen Besitz, mit juristischen Problemen und einem unmöglichen Schwiegervater. Sie kommt über den Verlust ihres Mannes nicht hinweg und verfällt in tiefe Niedergeschlagenheit. Ein Priester, dem sie sich anvertraut, versteht nichts. Er nimmt ihr Leid nicht ernst und weiß nichts Besseres, als ihr zu strengen Bußübungen zu raten.

Die Wende geschieht erst, als sie nach Dijon kommt und dort den hl. Franz von Sales predigen hört. Der Bischof von Genf ist ein exzellenter Theologe, ein Seelenführer, wie man sie kaum findet, ein tadelloser Hirte und unermüdlicher Missionar in einer Zeit, wo die Kirche von allen Seiten bedroht war. Dieser Heilige war der erste, der ihr zuhörte und sie ernst nahm: die entscheidende Begegnung. Mit Folgen für zahllose Menschen und für die ganze Kirche bis heute.

Als Johanna Franziska am 13. Dezember 1641 stirbt, hat sie über 80 Klöster gegründet (Verantwortung für so viele Frauen!). Franz von Sales hat ihre Berufung zur Ordensgründerin erkannt. Zusammen gründen sie den Orden von der Heimsuchung Mariens (Visitation) – einen Orden also, der sich auf den Moment der Begegnung zweier Frauen, Maria und Elisabeth, gründet.

Die heilige Frau und der heilige Mann haben verstanden, dass die Kirche ist auf Begegnungen gegründet ist. Jesus begegnet Menschen, das ist der Anfang. Echte Begegnungen, wie sie nur entstehen, wenn einer bereit ist, offen, achtungsvoll.

 

Mehr als 300 Briefe haben Johanna Franziska von Chantal und Franz von Sales ausgetauscht; noch immer lesenswert. Vielleicht war die Begegnung mit Franz von Sales die wichtigste, weitreichendste, aber die Baronin von Chantal begegnet beinahe allen Frauen und Männern, die ihre Zeit zum „Großen Jahrhundert“ Frankreichs gemacht haben.

Unsere Zeit ist belebt vom Streben nach Geld. Das 17. Jahrhundert war voller Menschen, die sich für Gott begeisterten. Die heilig werden wollten. Eine Zeit mit einem allgemeinen, großartigen, inspirierenden, ansteckenden Drang nach Heiligkeit.

Franz von Sales vereint klare, klassische Bildung mit mystischer Glut. Eine vollendete Mischung. In seiner Schule lernt Johanna Franziska Ausgewogenheit. Das rechte Maß. Geduld, die weiß: der rechte Zeitpunkt wird kommen. Sie lernt Milde, Güte und ein unerschütterliches Vertrauen in den Willen Gottes. Und sie bleibt eine echte Frau.

Es geht nicht um das Trennen, sondern um das Vereinen. Sie kann ihre Sehnsucht nach einem Leben in Gott zusammenbringen mit der Trauer um ihren Mann, mit den Sorgen für ihre Kinder, mit den Pflichten (!) der großen Dame und später der Ordensgründerin.

Nicht Fliehen, sondern genau die Situation annehmen, in die das Leben einen stellt. Denn man kann alles mit Liebe tun: Man kann Gottes alles schenken, noch die kleinsten und dümmsten Dinge. Die Heiligkeit ist nicht in den asketischen Übungen, sondern im Tun der täglichen Pflicht. Die Heilige ist die „tüchtige Frau“, wie es in der Lesung heißt (Spr 31).

Johanna Franziska von Chantal erlebt Schicksalsschläge ohne Ende, gerät in Schwierigkeiten mit der kirchlichen Hierarchie; sie schultert die Verwaltungsarbeit der vielen Häuser ihres Ordens. Dazu durchquert sie noch als alte Frau ganz Frankreich. Zu Pferd! Sie hält Krankheiten aus und Zweifel. Sie trägt auch den Verlust des großen Freundes: Franz von Sales stirbt lange vor ihr. Sie ist die tüchtige Frau, die „schafft mit emsigen Händen“ und „reicht ihre Hände den Armen“. „Sie tut „Gutes und nichts Böses, alle Tage ihres Lebens“. Das ist die Gottesfurcht des Alten Testaments.

Vielleicht geht das, so vieles zusammenbringen und aushalten und gestalten, weil die Seele (die „Spitze der Seele“) bei allem immer in einer „ganz einfachen Einheit mit Gott“ ist. Das ist also Heiligkeit: Einheit mit Gott und Echtheit.

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