Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fest der Heiligen Familie, 27. Dez. 2015

11/01/2016 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder und Schwestern?“, fragt Jesus die Menge, als seine Familie vor der Tür steht und ihn sehen will. Seine Verwandten meinen, er sei „von Sinnen“ (cf. Mk 3,33; 3,21). Wie passt diese verstörende Szene zum Bild der Heiligen Familie, wie wir es aus den Kirchen und Kalendern kennen: ein Mann, eine Frau, ein Kind, still und einträchtig beisammen in Bethlehem oder Nazareth. Was ist da passiert?

Christliche Feste sind keine sinnentleerten Orgien, um alles zu vergessen. Christliche Feste haben immer eine Botschaft. Sie verbinden das Feiern mit dem Verstehen. Was ist die Botschaft des Festes der Heiligen Familie? Sagt es uns, dass eine Familie auf eine ganz bestimmte Weise zu sein hat, in einer ganz bestimmten Struktur? Genau so wie auf den frommen lieben Bildern? Wenn dem so wäre, dann wäre es ein Fest für sehr wenige Menschen – und ein Tadel für sehr viele andere. Denn die Familie aus Vater, Mutter, Kind oder Kindern, die Eltern verheiratet – und zwar nur einmal – ist heute eine Seltenheit. Der Mehrheit der Menschen in den Städten leben als Singles. Es gibt Geschiedene, Alleinerziehende, Patchwork-Familien; in anderen Kulturen, zu denen die Kirche auch gesandt ist, gibt es Vielweiberei oder totale Herrschaft der Männer über Frauen und Kinder. Muss die Familie überall absolut gleich sein? Wenn dieses Fest nur eine ganz bestimmte Form der Familie predigen würde, ginge es an der Realität vorbei – und wohl auch am Evangelium.

Die Evangelien interessieren sich nicht weiter für bestimmte Lebensformen. Sie interessieren sich für Gott, nicht für Soziologie. Wo sie von der Kindheit Jesu sprechen, geht es nicht um eine christliche Familienordnung, sondern um eine jüdische Familie, in der der Messias heranwächst. Das ist der springende Punkt: Jesus ist der Messias. Dafür interessieren sich die Evangelisten, nicht für die Familie Jesu. In den Kindheitsgeschichten findet Sie nichts von einer heilen Familienwelt. Aber Sie entdecken sehr aktuelle andere Bezüge: Josef, Maria und das Kind fliehen vor Herodes, – heute fliehen wieder Familien vor gewalttätigen Despoten. Maria wird geweissagt, dass ein Schwert durch ihre Seele fahren werde: Es gibt immer Eltern, die ahnen, dass sie das eigene Kind begraben werden. Maria und Josef suchen den zwölfjährigen Jesus drei Tage lang, bevor sie in im Tempel finden, wo er mit den Schriftgelehrten Streitgespräche führt: dass hochbegabte Jugendliche den Konflikt mit der etablierten Ordnung suchen, auch das gibt es immer noch.

Wir haben in Nazareth eine Heilige Familie, die nicht dem bürgerlichen Ideal entspricht: Maria erwartet ein Kind, aber dieses ist nicht von ihrem Verlobten; Josef kümmert sich um Maria und das Kind, obwohl er nicht der Vater ist und die Frau wegschicken könnte; das Kind, Jesus, war seinen Eltern gehorsam (Lk 2, 51) und wird dann doch ausbrechen und eine neue Gemeinschaft suchen: Familie, das sind für Jesus nicht die leiblichen Verwandten, sondern jeder, „den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt“ (Mt 12,50).

Was Jesus redet, ist eher geeignet, Familien aufzubrechen als zu festigen. Von der Ehe sagt er klar: „Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.“ Aber er sagt auch: „Ich bin gekommen, um den Sohn mit dem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter“ (Mt 10, 35-37; s. a. Nachfolge-Worte).

Jesus sprengt das traditionelle Familienleben und macht den Weg auf zu einer anderen Gemeinschaft: zur Kirche. Die wahre Kirche, das ist die Gemeinschaft derer, die den Willen Gottes tun. Darum geht es Jesus: um zwei Dinge, um Gemeinschaft und Gott, den Vater.

Vielleicht ist das die erste Botschaft dieses Festes, die wirklich für jeden gilt: Bleibt nicht allein! Werdet keine Egoisten, die nur für sich leben. Habt Gemeinschaft! Behandelt euren Partner, eure Kinder so, dass die Gemeinschaft nicht zerbricht. Denn Gott, der in sich selbst Gemeinschaft ist, hat den Menschen als Mann und Frau erschaffen: also als zwei! Zwei, die sich brauchen; die ohne einander nur Bruchstücke sind. Und Jesus hat die Gemeinschaft der Kirche gestiftet, indem er Männer und Frauen um sich sammelte und sie in die ganze Welt schickte, damit die Gemeinschaft immer größer werde. Die Gemeinschaft ist entscheidend; ihre Form ist erst das Zweite (Einsiedler, Klöster, Freunde, Gemeinde, Ehepaare, gescheiterte Ehen, Geschwister, Singles, die offen sind). Schlimm für eine Gesellschaft, für ein Land ist nicht diese und jene Form der Gemeinschaft, sondern wenn die Beziehungen und Gemeinschaften überhaupt zerstört werden (Wirtschaft).

An den drei Menschen in Nazareth sehen wir, wie solche Gemeinschaft geht. Josef, Maria, Jesus, jeder hat seine ganz besondere Lebenssituation akzeptiert. Jeder der drei war offen für Gott. Der in jeder Lebensform sein kann und jede Lebensform heiligen kann. Alle drei zusammen haben ihren Glauben praktiziert. Alle drei haben ihre Beziehung zueinander treu gelebt. Auch in Konflikten sind sie beisammen geblieben.

Gott will etwas, von jedem Menschen. Und er hilft, jedem, jeder Familie, diesen Willen zu erkennen, anzunehmen und zu tun. Die Familie in Nazareth hat den Willen Gottes erkannt und getan; darin ist sie das Vorbild der Christen.

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